Freude schöner Götterfunken: Von Zypern nach Europa

Europa

Das neueste Sorgenkind der Eurozone ist vorerst außer Lebensgefahr, hängt aber am Tropf der Eurogruppe und des Internationalen Währungsfonds (IWF). Nach zähem Hauen, Stechen und langen Sitzungsnächten steht das Hilfspaket mit einem sozial ausgewogenen Konzept. Doch danach sah es lange nicht aus.

Eine kurze und bündige Rückschau

Entstehen konnte die Notlage des Mittelmeerstaats infolge der in der Vergangenheit immer fortgeschrittenen Aufblähung des Bankensektors, der in keinem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zur Realwirtschaft des Inselstaats mehr stand. 80 Prozent der Wirtschaftsleistung Zyperns wurde durch (teils dubiose) Finanzgeschäfte erzielt. Grund für die starken Kapitalströme nach Zypern sind das vorteilhafte Steuersystem und die großzügigen Erträge der Banken für Großanleger. Das Land wurde so besonders für Auslandsinvestitionen attraktiv. Das System funktionierte jedoch nur so lange die Rekapitalisierung der beiden nennenswerten zyprischen Banken, Bank of Cyprus und Laiki-Bank, reibungslos funktionierte. Fatal für Zypern war dabei die immense Vernetzung der eigenen Wirtschaft mit der Griechischen. Im Zuge der Staatsfinanzierungskrise in Griechenland kam es durch den Schuldenschnitt für Athen bei den beiden zyprischen Banken zu Forderungsausfällen von 4,5 Milliarden Euro. Die Folge war die finanzielle Schieflage eines ganzen Staates, der viel zu sehr von seiner Bankenwirtschaft abhängt. Der Finanzbedarf Zyperns wurde auf eine Höhe von 17 Milliarden Euro beziffert. Die zyprische Regierung musste einen Rettungsplan zur Kompensation des finanziellen Lochs entwerfen, um die Zahlungsunfähigkeit und damit eine Abwendung eines Staatbankrotts im Mai abzuwenden. Helfen sollte dabei die Eurogruppe und der IWF, die nach Überprüfung der Situation Hilfen von 10 Mrd. Euro garantierten, wenn Zypern einen eigenen Anteil von 7 Mrd. aufbringt.

Kontroverse um den Eigenanteil

Im Gegensatz zur allgemeinen Auffassung wurde die Ausgestaltung des Eigenanteils zum Hilfspaket dem Parlament in Nikosia selbst überlassen. Der erste Entwurf, alle Sparer und Anleger mit einer faktischen Enteignung (6,75% bei einem Vermögen von bis zu 100.000 Euro, und 12,5% bei über 100.000 Euro) zu belasten waren abstrus und sozial Unausgewogen. Die berechtigte Kritik und Wut der Kleinanleger und Otto-Normal-Sparer in Zypern war vollkommen verständlich, aber gänzlich fehlgerichtet. Deutschland wurde hier für Maßnahmen verantwortlich gemacht, mit der es überhaupt nichts zu tun hatte. Ganz im Gegenteil: Die Mehrheit der politischen Kräfte in Deutschland und den anderen Euroländern hat sich für ein sozial ausgewogenes Finanzierungskonzept des zyprischen Anteils ausgesprochen. Dieses wurde zum Wohle des zyprischen Volkes nach zähen Verhandlungen und nach über einer Woche, in der Kein Zyprer an sein Geld kam, auch verabschiedet. Die Laikibank wird in eine Good- mit Vermögensanlagen unter 100.000 und eine Bad-Bank mit Vermögen über 100.000 Euro gesplittet. Die Good-Bank wird von der Bank of Cyprus übernommen, die Bad-Bank abgewickelt. Bei der Bank of Cyprus bleiben Vermögen von bis zu 100.000 Euro bleiben vom zyprischen Fiskus unangetastet, höhere allerdings mit 37,5% belastet. Diese Lösung ist sowohl wirtschaftlich, als auch sozial vertretbar. Kein Anleger wird diese Erhöhung im eigenen Portmonee spüren.

Bewusste Hintertür?

Bei dem scheinbar sozial ausgeglichenem Rettungsvorhaben und der vorausgegangen Sperre aller Finanztransaktionen in Zypern, um einen Bank-Run zu verhindern, gab es allerdings einen nicht zu verachtenden Haken. Die Auslandsfilialen der beiden zyprischen Banken durften weiterhin Geschäfte tätigen. Dort hat die internationale Gemeinschaft bewusst geschlafen, um es ihren reichen Landsleuten zu ermöglichen, zumindest einen Teil ihrer Vermögen aus Zypern abzuziehen. Dadurch ist der absolute Ertrag, aus der geforderten Abgabe für den zyprischen Fiskus deutlich geschmälert, wodurch die Erhöhung der relativen Abgabenhöhe im Vergleich zum ersten, verworfenen Modell u.a. mit zu erklären ist.

Man hätte hier auf die Solidarität innerhalb der EU (gerade von London als Europas größten finanziellen Umschlagplatz) zählen müssen. Dennoch ist der gefundene Weg, Zypern aus der finanziellen Misere zu führen der einzig richtige, will man das Projekt Europa nicht kurzfristig auf’s Spiel setzen.

Europa muss wirtschaftlich mit einer Stimme Sprechen

Um Krisen wie in Griechenland oder Zypern zu verhindern und Europa wieder mehr politische und wirtschaftliche Stabilität zu verleihen, ist es von Nöten eine permanente europäische Wirtschaftsregierung einzuführen, die bei Fehlentwicklungen in den Eurostaaten direkt eingreift. Dazu bedarf es eines Schuldentilgungsfonds, in den alle Mitglieder der Eurogruppe gemessen an ihrer Wirtrschaftlsleistung einzahlen. Außerdem müssen Banken so restrukturiert werden, dass sie auf Grund ihrer Position am Markt bei einer Pleite nicht ganze Volkswirtschaften mit in den Ruin ziehen können, wie es beispielsweise bei Lehmann Brothers der Fall war. Die so genannte Systemrelevanz darf es bei einzelnen Kreditinstituten nicht mehr geben.

Nur durch diesen Maßnahmenkatalog kann der Wirtschaftsraum Europa dauerhaft als stärkster Wirtschaftsraum im globalen Wettbewerb positioniert werden und den Wohlstand der europäischen Bürgerinnen und Bürger garantieren - denn darum geht es letztens. Wirtschaft darf nie einem Selbstzweck dienen.

Finanzsektor muss an die Leine genommen werden

Langfristig lassen sich negative Tendenzen nur durch strikte Regeln im Finanzsektor beheben. Was nicht nur Europa braucht, sondern der globale Finanzsektor, ist eine stärkere Regulierung von Finanzgeschäften. Dabei muss besonders der Handel mit risikoreichen Derivaten und der Hochfrequenzhandel an den Börsen verboten werden, der rein gar nichts mehr mit wirtschaftlicher Wertschöpfung, sondern nur noch mit der Gier von Finanzjongleuren zu tun hat, die ihren Hals nicht vollkriegen.

Europa ist mehr als eine Währung

Was Europa betrifft, muss mehr Engagement zum Ausbau der europäischen Zivilgesellschaft getan werden. Europa ist nicht nur Schengen und Euro. Europa ist ein Raum mit gemeinsamen Werten, miteinander verschränkten Kulturen und einer gemeinsamen Tradition. Wenn wir dauerhaften sozialen Frieden in Europa wollen, ist eine schrittweise Angleichung der wirtschaftlichen Verhältnisse unumgänglich. Gefördert werden müssen aber auch soziale Projekte wie Städtepartnerschaften, Jugendaustausche, Kooperationen von Schulen und Universitäten, Verbänden und Parteien sowie Vereinen.

Nach innen muss Europa in den Köpfen und den Herzen der Menschen ankommen. In dieser Hinsicht bestehen immer noch eklatante Mängel. Der Grund dafür ist, dass Europa technokratisch und bürokratisch aufgebläht und viel zu weit weg von den Menschen ist. Nur durch umfassende Reformen in der Struktur der Europäischen Union hin zu einem Basisdemokratischen Staatenbund mit waschechten und mit Kompetenzen ausgestatteten Volksvertretern kann die Akzeptanz für Europa gesteigert und die Skepsis beseitig werden.

Europa steht für Toleranz, Frieden und Wohlstand

Europa ist nicht nur Brüssel oder Straßburg. Europa ist bei uns im Kopf. Dafür muss die Politik zusehen, dass sie Europa wirtschaftlich in ruhiges Fahrwasser kommt und gesellschaftliche Aufgaben nicht vernachlässigt.

Denn: Wir sind Europa.

Philip Grabowski

 
 

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