Vorerst: Entscheidung über Fernhalteprämie rückt in zeitliche Ferne

Bundespolitik


Das Betreuungsgeld ist sozial ungerecht und verhindert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Das Prinzip „Mit dem Kopf durch die Wand“ der schwarz-gelben Bundesregierung ist heute gnadenlos gescheitert. Das von den Vorsitzenden der Regierungskoalition und dem Kabinett beschlossene Betreuungsgeld konnte die parlamentarische Hürde am heutigen Freitag nicht nehmen, da sich schlicht zu wenige Abgeordnete im Plenarsaal des Deutschen Bundestages aufhielten, um der Abstimmung beizuwohnen. Die Beschlussfähigkeit des Parlaments ist nur bei Anwesenheit der Hälfte der Stimmberechtigten gegeben. Dies entspräche der Zahl von 311 Abgeordneten. Die heute amtierende stellvertretende Bundestagspräsidentin Petra Pau (Linkspartei) zählte allerdings 100 weniger, nämlich 211.

Spricht die Koalition von einem „kleinen, dreckigen Foulspiel“ der Opposition, allen voran der SPD, hätte sie selbst dafür sorgen müssen ausreichend Koalitionsabgeordnete im Bundestag zu platzieren. Immerhin verfügt sie über eine bequeme Mehrheit von 330 Sitzen.
Nichtsdestoweniger ist das Oppositionslager nicht böse darum, dass die Herd- oder Fernhalteprämie nicht umgesetzt wird – wenn auch nur vorerst!

Das merkel’sche Regierungsbündnis ist nun gezwungen bis nach der parlamentarischen Sommerpause zu warten, ehe erneut über das Betreuungsgeld abgestimmt werden kann, da sie auf eine Sondersitzung noch vor der sommerlichen Unterbrechung verzichtet. Möglicherweise zeigt sich hier die Einsicht, nicht alles über das sprichwörtliche Knie brechen zu können wie sie es ursprüngliche auch beim europäischen Fiskalpakt wollte. Auch dort ist Merkel schon von der Opposition desillusioniert worden. Eine „Feigheit der SPD“, die eine „Schande der Demokratie“ darstelle, wie CSU-Politiker Alexander Dombrindt unterstellt, ist nicht zu erkenen. Es zeichnet die Sozialdemokraten vielmehr aus und kostet Mut, einen solchen stillen Protest gegen eine unsinnige und sozial ungerechte Transferleistung zu zeigen. Nicht zuletzt die unabhängige OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) hat das geplante Betreuungsgeld scharf kritisiert, da es vor allem Frauen mit Migrationshintergrund und Geringverdienende vom Arbeitsmarkt fernhält und deren Kinder zu Hause sozial isoliert würden. Ihre Studie, die diese Einschätzung zulässt, gründet sich auf Beobachtungen in Staaten, in denen bereits ein Betreungsgeld oder ähnliche Leistungen gezahlt werden. Auch die Deutsche Bevölkerung erkennt nach der neuesten Umfrage des ZDF-Politbarometers von heute die Absurdität des Betreungsgeldes. Demnach stellen sich 71% der Deutschen gegen die Prämie und stufen diese als „nicht richtig“ ein. Eine Investition der für das Betreuungsgeld geplanten Aufwendungen in den Kitaausbau und Bildung wären förderlicher für unser Land. Gründe gibt es genug:
  • „Beruf und Familie lassen sich nur vereinbaren, wenn es überall ausreichend und hochwertige Ganztagsangebote in Schulen und Kitas gibt.“
  • „Nur durch den Ausbau der Kitaplätze ist die frühe Förderung aller Kinder unabhängig von ihrer sozialen Herkunft möglich.“
  • „Die gegenseitigen sozialen Erfahrungen und Kontakte der Kinder untereinander bereiten sie auf ein Leben in einer vielfältigen Gesellschaft vor. Auch sie haben ein Recht auf Teilhabe.“
„Die SPD hat deshalb einen Vier-Stufen-Plan vorgelegt, mit dem bis 2020 ein Rechtsanspruch auf Ganztagsangebote in Kitas und Schulen garantiert wird und wir dafür sorgen, dass der Bund die Länder und Kommunen bei der Umsetzung ausreichend finanziell unterstützt.“ Von Philip Grabowski
 
 

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