OLG München beschädigt das Ansehen unserer Rechtsstaatlichkeit: NSU-Terror immer weiter im Hintergrund der Pannen.

Justiz und Inneres

Mehr als zehn Jahre konnte eine organisierte rechtsextremistische Terrorvereinigung unschuldige Menschen aus Fremdenhass umbringen, weil die staatlichen Behörden teilweise eklatant versagt haben. Die Angehörigen der Opfer und auch die deutsche wie internationale Öffentlichkeit warteten lange darauf, dass der Prozess um die Straftaten gegen die noch lebenden Täter beginnt. Dennoch überboten sich die Medien und das OLG München immer wieder mit haarsträubenden Pannen oder Vorwürfen, sodass der menschenverachtende Anlass des Prozesses in den Hintergrund geriet.

Nach peinlichen Akkreditierungsfehlern, einer egozentrischen Überbewertung der Medien und der neuerlichen Panne im zweiten Medienplatzvergabeverfahren, in der unter anderem - bei allem Respekt - das Hausfrauen-Tratsch-Blatt Brigitte aus erster Hand über den größten Prozess der deutschen Nachkriegsgeschichte berichten darf, leistet sich das Gericht einen weiteren folgenschweren Lapsus.

Das ganze Verfahren entwickelt sich damit immer mehr zur Farce, bei der der eigentliche Fokus, die Morde des NSU, zur Randerscheinung verkommt.

Die Anwälte von Beate Zschäpe, wohlgemerkt Pflichtverteidiger, sind vom Gericht dazu verpflichtet worden, sich vor jedem Verhandlungstag u.a. einer Waffenkontrolle zu unterziehen. Die Bundesstaatsanwaltschaft, Polizeibeamte oder Gerichtsdiener müssen sich dagegen einer solchen Prüfung nicht zu stellen.

Mit welchem moralischen Recht nimmt sich der Senat des OLG München eine solche an Diskriminierung grenzende Schikane an rechtstreuen Anwälten heraus? Verdächtigt das Gericht etwa freie Rechtsvertreter in einem Verfahren von internationaler Bedeutung, eine Waffe mit in den Gerichtssaal zu bringen und damit das Schlimmste anzurichten? Es wäre lächerlich und absurd, zumal ein solches Verfahren für jeden Anwalt ein Meilenstein seiner beruflichen Laufbahn darstellt.

Es ist vollkommen nachvollziehbar, dass die Verteidigung in dieser Sache einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter gestellt hat und damit ihre juristischen Möglichkeiten ausschöpft um sich zur Wehr zu setzen.

Die Folge ist eine Aussetzung des Verfahrens nach dem ersten Prozesstag, an dem nicht einmal die Anklage verlesen werden konnte. Nach dem verschleppten Beginn des Prozesses erweist sich das Oberlandesgericht München allen am Prozess mitwirkenden und einen Bärendienst!

Das Ansehen der Rechtsstaatlichkeit Deutschlands und der konsequente Umgang mit radikalen Verbrechern - mehr noch: Terroristen - steht hier auf dem Spiel!

Ein fehlerfreier Umgang aller Beteiligten sowie eine Konzentration auf die menschenverachtenden Taten des Nationalsozialistischen Untergrundes wären ab jetzt wünschenswert. Auch um der Opfer und deren Angehörigen Willen.

Philip Grabowski

 
 

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