Doktoren, Werte und Moral: Der Fall Schavan

Bundespolitik

Ja, Annette Schavan (CDU) hat sich nicht an allen Stellen ihrer Dissertation an die Regeln wissenschaftlichen Handwerks gehalten. Deshalb ist sie auch nicht länger als Bundesministerin für Bildung und Forschung haltbar. Denn die gleichen Regeln gegen die sie wahrscheinlich aus Unachtsamkeit verstoßen hat, gelten auch heute noch.

Dennoch ist der Entzug der Doktorwürde, auf Grund von leichtsinnigen Fehlern, die vor 33 Jahren begonnen wurden, unverhältnismäßig. Auch das Verfahren des Fakultätsrates ist mehr als fragwürdig. Es wurde kein externer Gutachter zur Prüfung der Doktorarbeit "Person und Gewissen" beauftragt. Ein viel kritischerer Aspekt sind Ermittlungsinhalte, die schon vor Wochen an die Öffentlichkeit gedrungen sind. Auch der ständig gezogene Vergleich zur Plagiatsaffäre von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hinkt. Guttenberg hat in einem verheerenden Ausmaß vorsätzlich gedankliches Eigentum kopiert, Schavan hingegen hat im wesentlich geringeren Ausmaß Fehler beim Zitieren begangen.

Generell stellt sich die Frage nach einer Reform der Kontrolle von Dissertationen in den Fakultäten. Man mag sich allerdings kaum vorstellen, wie viele falsche Doktoren deutsche Universitäten allein seit Bestehen der Bundesrepublik hervorgebracht haben. Ihnen allen müsste ihr akademischer Grad entzogen werden, würde man jede Fußnote und jedes Anführungszeichen doppelt und dreifach überprüfen. Um unrechtmäßige Doktoren zu verhindern, ist es erforderlich fehlerhafte Doktorarbeiten schon vor Veröffentlichung durch den jeweiligen Doktorvater aufzudecken.

Insgesamt hat das gesamte Verfahren sowie die öffentliche und mediale Debatte einen mehr als populistischen und politisch motivierten Geschmack. Politische Persönlichkeiten stehen im öffentlichen Fokus und gerade dem politischen Gegner spielt eine angekratzte Reputation von Spitzenpolitikern der Gegenseite in die Karten. Anstand, Moral und Respekt gehen aber in der von diffamierenden Reflexen geprägten politischen Welt zusehends den Bach runter.

Eine differenzierte Betrachtungsweise des Politikums "Doktor Schavan", aber auch anderer vermeintlicher Skandale oder Affären würden Medienwelt und Politik ein bisschen mehr Menschlichkeit und Miteinander zurückgeben.

Eine eventuelle Rückgabe des Doktortitels nach juristischer Prüfung, wie sie jetzt auf Initiative Schavans erfolgt, kann auch als Sozialdemokrat befürwortet werden. Erforderlich ist aber auch ein würdiger Rücktritt seitens der Bildungsministerin von ihrem Amt. Dieses kann sie nicht mehr Glaubwürdig im Sinne der wissenschaftlichen Werte, Normen und Regeln ausüben.

Wenn sie selbst den Anstand gegenüber der Wissenschaft nicht aufbringen kann, muss Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel diesen zeigen, indem sie Bundespräsident Gauck bittet, Annette Schavan aus dem Amt zu entlassen.

Philip Grabowski

 
 

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