Kein großer Wurf, aber wichtiges Druckmittel – Zur TTIP-Resolution des Europäischen Parlaments

Europa

Nachdem der erste Versuch eine Resolution im Europäischen Parlaments zum transatlantischen Handelsabkommen zu fassen vor einigen Wochen noch im Streit endete und die Plenarabstimmung kurzerhand vom Parlamentspräsidenten von der Tagesordnung genommen wurde, gelang am Mittwoch der zweite Versuche: Das Europäische Parlament hat seinen Standpunkt zu den umstrittenen Verhandlungen über das Freihandels- und Investitionsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA gefasst.

Das nun beschlossene Kompromisspapier ist wahrlich nicht der große Wurf, hierfür fehlt es ihm an zu vielen Stellen einfach an Mut, mit Teilen des Verhandlungsmandates und bisher bekannten Verhandlungsergebnissen zu brechen oder gar die derzeitige EU-Handelsstrategie in Frage zu stellen. Eines kann die Resolution aber bewirken: Die Verhandlungsspielräume der Kommission werden enger – und das ist gut so! Aber der Reihe nach:

Für uns Jusos ist weiterhin klar, dass mit dem derzeit gültigen Verhandlungsmandat – welches von den Staats- und Regierungschefs verabschiedet wurde und nun eine Schärfung durch das Parlament erfahren hat – am Ende kein annehmbares Verhandlungsergebnis erreicht werden wird. Hierfür ist das Verhandlungsmandat einfach zu stark von neoliberalen und marktradikalen Prämissen und Überzeugungen durchdrungen. Auch die nun gefasste Resolution des Parlaments kann sich hiervon leider nicht überzeugend lösen und verbleibt in einem solchen Duktus, sie schleift allerdings einzelne Positionen ein großes Stück, indem das Europäische Parlament deutlich macht, wo es keinen Verhandlungsspielraum sieht (bspw. Vorsorgeprinzip, Teile öffentlicher Daseinsvorsorge) oder wo es Modifikationen für notwendig hält (bspw. Investitionsschutz, Liberalisierungsmechanismen (Stichwort: Positiv-/Negativ-/ Hybridlistenansatz)).

Dreh- und Angelpunkt bleibt der Investitionsschutz

Auch mit der beschlossenen Resolution wird der umstrittene Investitionsschutz weiter im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussionen stehen. Zwar bricht das Europäische Parlament mit der Vorstellung von privaten Schiedsgerichten, aber eben nicht mit der Absicht, dass innerhalb des Abkommens mit den USA ein „umfassendes Kapitel über Investitionen“ enthalten sein soll. Gerade an dieser Stelle zeigt sich deutlich, dass eben auch mit der Resolution des Parlaments die öffentliche und insbesondere inhaltliche Auseinandersetzung um die Schutz-Notwendigkeit von Investitionen weiter geführt werden muss.

Hierbei müssen wir notwendigerweise stärker zwischen „Form“ und „Inhalt“ von möglichen Investitionsschutzregeln unterscheiden. Alle bisherigen Bemühungen – und hier reiht sich die Resolution ein – beziehen sich zumeist auf mögliche Formen des Investitionsschutzes. Von dem ursprünglich einmal vorgesehenen privaten Investor-Staat-Streitschlichtungsverfahren (ISDS) spricht inzwischen (fast) niemand mehr. Aber auch der Vorschlag von Sigmar Gabriel für einen öffentlichen internationalen Handelsgerichtshof, vor dem Investoren entsprechende „Ansprüche“ einklagen könnten, zielt rein auf den formalen Aspekt von Investitionsschutz ab. Und das Europäische Parlament empfiehlt in seiner Resolution ebenfalls lediglich „das ISDS-Verfahren durch ein neues Verfahren für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten zu ersetzen“. Über den Umfang, also den Inhalt der Investitionsschutzregeln, sagt das indes wahrlich wenig aus. Zwar bietet auch hier die Resolution des Parlaments einige Schärfungen, die so vorher nicht im Verhandlungsmandat enthalten waren und welche sich an den restriktiveren Investitionsschutzregeln aus den CETA-Verhandlungserbnissen orientieren, die grundsätzliche Frage aber bleibt unbeantwortet: Warum überhaupt besondere Regelungen in einem Abkommen zwischen zwei Rechtsstaaten?

Verbriefte Sonderrechte für Investoren braucht es in einem Handelsabkommen zwischen den USA und der EU sowie zwischen Kanada und der EU weiterhin nicht. Die Bilanzen von Eurostat zeigen es: Das Investitionsklima zwischen Nordamerika und Europa ist sehr gut. Die Investitionsflüsse über den Atlantik zeugen nicht von einer Investitionsunsicherheit, ganz im Gegenteil. Die Interessenslagen hinter der Forderung nach einem Mehr an Investorenschutz scheinen andere zu sein. Wir sind deshalb gut beraten, den Fokus der Diskussion um Investitionsschutz auf den eigentlichen Kern zu lenken und uns nicht dazu verleiten zu lassen, über mögliche äußere Formen und Rahmen zu philosophieren. Dieser Linie werden wir als Jusos treu bleiben.

Mit der Resolution verpflichtet sich das Europäische Parlament darauf, ein Abkommen, welches die definierten Bedingungen und Grenzen überschreitet, auch scheitern zu lassen. Insofern ist die Resolution hilfreich und Druckmittel zugleich auf die Kommission, wie auch auf die ParlamentarierInnen in Brüssel und Straßburg selbst. Denn der erste Prüfstein für das Europäische Parlament wird bald folgen, nämlich dann, wenn es über CETA zu befinden hat, das einige der Grenzen aus der Resolution von Mittwoch überschreitet!

Es bliebt also der Auftrag: Den Druck weiter hoch halten und durch ein Scheitern der Freihandelsabkommen endlich eine neue grundsätzliche Debatte über die europäische Handelsstrategie und einer neuen globalen Handelspolitik, die anderen Prämissen und Paradigmen folgt, zu führen.

Johannes Gerken auf www.jusos.de

 
 

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